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Schnitt für Schnitt durch den Weinwinter


Magazin
20. Februar 2023
Johannes Stühlinger
Lesezeit: 3 Minuten

Neusiedlersee DAC Winzer:innen sind berühmt dafür, bloß die Essenz ihrer Weingärten in feinste Weine zu wandeln. Dabei geht es aber keineswegs nur um die im Spätsommer bzw. Frühherbst von Trauben behangenen Rebstöcke. Denn gerade jetzt im Winter trennt sich im Weingarten schon die sprichwörtliche Spreu vom Weizen.

Mit Unterstützung von Bund, Land und Europäischer Union.

Die letzten Trauben sind gelesen. Selbst jene, die für den Eiswein noch hängengeblieben sind, wurden von den Winzer:innen des Neusiedlersee DAC nach der ersten Frostnacht inzwischen eingebracht und verpresst. Man könnte also meinen, in den Weingärten rund um den Neusiedlersee ist längst winterliche Ruhe eingekehrt. Doch der Schein trügt. Während in den Weinkellern die Weine des gerade verarbeiteten Jahrgangs langsam an Reife gewinnen, beschäftigen sich die Winzer:innen der Herkunftsweinregion Neusiedlersee DAC schon mit dem nächsten Jahrgang. 

Denn gerade in jenen Monaten, in denen die Natur schläft, heißt es für die Winzer:innen, gleichsam wachsam wie achtsam ans Werk zu gehen. Stichwort: Rebschnitt. Zwischen Jänner und März herrscht somit in den Weingärten reges und höchst konzentriertes Treiben, damit im Frühling jeder Rebstock wieder kraftvoll austreiben kann. Um die stets von Hand geführten Schnittwerkzeuge – meist Akkuscheren – aber auch wirklich richtig einsetzen zu können, müssen zuvor grundlegende Entscheidungen getroffen werden. Entscheidungen, die später nicht mehr rückgängig gemacht werden können, dem Wein des nächsten Jahres aber bereits einen Stempel aufdrücken.

Weinwinter
Willkommen im Weinwinter: Die letzten Trauben sind gelesen und Winzer:innen der Herkunftsweinregion Neusiedlersee DAC beschäftigen sich bereits mit dem nächsten Jahrgang.

Alles eine Frage der Zukunft – bereits im Winter

Vorwiegend geht es um Fragen wie diese: Wie hoch soll der Ertrag dieses Weingartens im nächsten Jahr ausfallen? Werde ich die Trauben für eine Cuvée, einen reinsortigen Wein, für Traubensaft oder eine Reserve verwenden? Welche Qualitätsstufe sollen die Trauben bis zur Lese im Herbst erreichen? Vereinfacht ausgedrückt lässt sich sagen: Je mehr Triebe geschnitten werden, umso hochwertiger werden die einzelnen Trauben ausfallen. Das kann man sich so vorstellen: Wenn man eine Gießkanne mit vielen kleinen Löchern ausgießt, wird die Wassermenge auf viele kleine Punkte verteilt. Wenn man den Zerstäuber abnimmt, gelangt maximal viel Wasser an einen Ort. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Kraft des Rebstocks: Je weniger Trauben er versorgen muss, umso mehr Energie geht in die wenigen verbliebenen.

Weinwinter
Zwischen Jänner und März herrscht somit in den Weingärten reges und höchst konzentriertes Treiben …
Weinwinter
… damit im Frühling jeder Rebstock wieder kraftvoll austreiben kann.

Viel Handarbeit für einen gelungenen Jahrgang

In der Regel wird nur mehr ein Trieb am Weinstock erhalten, um eine möglichst hohe Traubenqualität zu erzielen. Nur wer auf Massenware setzt, wird hierbei mehr Triebe in das neue Weinjahr tragen. Die seit jeher qualitätsbewussten Neusiedlersee DAC Winzer:innen allerdings suchen stets den Weg zur besten Traube. Eben deshalb ist ihnen jeder Weinstock auch so wichtig. Das bedeutet: Jeder Schnitt wird bewusst getan, um der Pflanze nicht unnötigen Schaden zuzufügen. So kann eine schwere Verletzung des Holzes weitreichende Folgen für den Stock haben, ihn gar absterben lassen.

Das ist der Hauptgrund, warum der Winterschnitt meist fast den halben Winter andauert. Schließlich lassen Winzer:innen nur Vertraute und Geschulte an die kostbaren Triebe. Und derer gibt es in einem Weingarten gar viele. Kleine Rechnung: In der Regel werden pro Hektar 5.000 Rebstöcke ausgepflanzt. Wenn man nun davon ausgeht, dass Neusiedlersee DAC Winzer:innen im Durchschnitt über zehn Hektar Rebfläche verfügen, macht das 50.000 Rebstöcke, die von Hand beschnitten werden müssen.

Hinzu kommt, dass nicht jede Rebsorte und innerhalb einer Lage auch nicht jeder Rebstock exakt gleich geschnitten werden kann. Hier ist Fachwissen, Fingerspitzengefühl und vor allem generationenübergreifende Erfahrung gefragt!

Wer sind Simonit und Sirch?

Wie wichtig der liebevoll sanfte Umgang mit den edlen Rebstöcken ist, erkannten erst in den 1980er-Jahren die beiden Fachleute Marco Simonit und Pierpaolo Sirch. Die aus dem Friaul stammenden Winzer entwickelten auf altem Wissen aufbauend eine Schnittmethode, die die Lebenserwartung eines Rebstocks auf das Doppelte nach oben schraubte. Heute weiß man, dass Rebstöcken, wenn man sie nach der Simonit & Sirch-Methode schneidet, in der Regel zumindest 50 Jahre alt werden. 

Wem nun der Qualitätsbegriff „Alte Reben“ in den Sinn kommt, der liegt goldrichtig. Durch diese wegweisenden Erkenntnisse der beiden Italiener bekam dieser eine neue und relevantere Bedeutung. Hintergrund: Je älter ein Rebstock ist, umso tiefer wurzelt er und umso besser werden dadurch die Trauben, die auf ihm reifen. Das wiederum führt – bei richtiger Weiterverarbeitung im Weinkeller – in der Regel zu an Extrakt besonders reichen Weinen.

Bloß kein Sauerstoff, bitte!

Aber kommen wir zurück zum winterlichen Weingarten. Quasi nebenbei werden die Drahtrahmen der Reben in der kalten Jahreszeit repariert oder adaptiert. Außerdem wird der Holzschnitt nicht einfach auf den Kompost verbannt, sondern meist gehäckselt und gleich wieder im Weingarten verteilt – der beste und kostengünstigste Dünger, sind sich die Winzer:innen im Neusiedlersee DAC-Gebiet einig. Parallel müssen sie freilich auch ein Auge auf die im Weinkeller reifenden neuen Jahrgänge haben.

Vor allem die Holzfässer – in denen die besonders hochwertigen Zweigelt Neusiedlersee DAC Reserve-Weine reifen – bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Sie müssen „spundvoll“ gehalten werden. Weil nämlich aus Holzfässern immer etwas Flüssigkeit verdunstet, muss regelmäßig gleichwertiger Wein nachgefüllt oder eine zeitlich befristete Überlagerung mit Stickstoff in den Leerraum des Fasses vorgenommen werden, um die Fässer konstant voll zu halten. So kann eine unerwünschte Oxidation mit dem Sauerstoff in der Luft verhindert werden. Diese würde im schlimmsten Falle jede:r Weinkenner:in später als Weinfehler erschmecken. Der Wein wäre dann nahezu wertlos. Und alle hineingesteckten Mühen – vom Rebschnitt bis zur Lese – umsonst. 

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Neusiedlersee DAC.
Einzigartiger Zweigelt. Einzigartige Süßweine.
Von der Sonnenseite Österreichs. Zur Gaumenfreude aller.

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