Featured image for “Martiniloben am Neusiedlersee: Besser kann Geschichte gar nicht schmecken”

Martiniloben am Neusiedlersee: Besser kann Geschichte gar nicht schmecken


Magazin
21. Oktober 2021
Johannes Stühlinger
Lesezeit: 4 Minuten

In der Zeit vor, nach und am Martinstag öffnen im Herkunftsweingebiet Neusiedlersee viele Winzer*innen ihre Kellertüren, um ihre Weine verkosten zu lassen. Ein Brauchtum, das derartig in den 1980er-Jahren entstanden und demnach auf viel Geschichte zurückblicken kann.

Mit Unterstützung von Bund, Land und Europäischer Union.

Glaubt man der Legende, so war jener Martin, den wir heute alljährlich feiern, ein römischer Offizier. Im Jahr 334 nach Christus, so heißt es, war er in Armenien stationiert und begegnete eines Nachts einem frierenden Bettler. Kurzerhand teilte der gutbetuchte Offizier mit dem Schwert seinen Mantel in zwei Teile. Er gab dem armen Mann die eine Hälfte, um sich wärmen zu können. Diese barmherzige Tat wurde zum Symbol christlicher Demut. Und der Heilige Martin ein Vorbild – vor allem für die im Burgenland lebenden Menschen: Er wurde zum Patron des Bundeslandes.

Auf den ersten Blick hat die Legende vom Heiligen Martin rein gar nichts mit Wein zu tun. Und doch hat sein Ehrentag, der 11. November, für die Winzer*innen im Herkunftsweingebiet Neusiedlersee seit vielen Jahrhunderten eine besondere Bedeutung. Und das gleich aus mehrerlei Gründen: Als im Mittelalter noch die Lehensherren das Land unter den Bauern aufteilten, galt es stets, am Tag des Martin den sogenannten Lehen, also die Pacht, zu entrichten. Wie die vereinbarten Werte bezahlt wurden, blieb dabei den Bauern großteils selbst überlassen. Münzen waren da nur ein Mittel der Zahlwahl. Auch Naturalien galten bei den Lehensherren als willkommen. Also lieferten die braven Landwirte, was sie gerade hatten – Gänse zum Beispiel.

Das ist übrigens der Grund, warum wir heute rund um Martini vor allem im Burgenland allerorts Martinigansln genießen können. Gleichzeitig aber hatten die Bauern nach dem Bezahlen der Lehen endlich auch Zeit, um nachsehen zu können, was sich denn in den Fässern ihrer Weinkeller seit der Ernte im Herbst getan hat. Sie kosteten also nach dem 11. November erstmals ihren Jungwein, den Staubigen.

Wenn Brauchtum und Kulinarik miteinander verschmelzen

„Eben hier setzt das heute so beliebte Brauchtum des Martinilobens an“, sagt Sepp Sailer. Der 68-Jährige gilt als Begründer dieses alljährigen Festes, das heute rund um den Neusiedlersee die Gästebetten mit Kurzurlauber*innen füllt – und die Weinkeller mit durstigen Gästen. „Denn“, so erzählt er weiter, „als die Bauern damals ihre Jungweine gegenseitig verkostet haben, sparte man nicht am Lob des jeweils anderen Weins.“ Man lobte zu Martini also den Wein. „Egal, ob er gut oder weniger gut war“, fügt Sailer schmunzelnd an. Das hatte er als Kind und Jugendlicher oft erlebt – und es hat so viel Eindruck hinterlassen, dass der engagierte gebürtige Burgenländer viele Jahre später die beiden Begriffe zum „Martiniloben“ vereinte. Und damit einen großen Beitrag leistete, um den Winzer*innen des Neusiedlersees eine rosige Zukunft zu bescheren. Denn als das erste Mal am 11. 11. 1987 ein Martiniloben in Frauenkirchen veranstaltet wurde, sah die Weinwelt in ganz Österreich eher trist aus …

Martiniloben
Die Liebe zum Wein ist es, die Sepp Sailer antreibt. Er gilt als Begründer des heute allseits bekannten Martinilobens.

Es waren die Jahre nach der „Götterdämmerung“, wie Sailer die schwierigen Jahre nach dem bis ins Heute mahnend nachhallenden „Erdbeben“ – von den Medien als Weinskandal tituliert – bezeichnet. „Wir hörten überall nur von Weinbauern, die zusperren mussten, die ihr Land verkauften, die nicht wussten, wie sie über die Runden kommen sollten“, erzählt er. Dem damals jungen Mann war klar, man musste etwas tun, um den Menschen zu beweisen, dass der hiesige Wein hohe Qualität hatte. Dass man den regionalen Winzer*innen vertrauen konnte. Dass die schwarzen Schafe längst der Vergangenheit angehörten. „Es ging damals darum, das angekratzte Selbstbewusstsein der Winzer*innen genauso zu stärken wie das angeknackste Vertrauen der Weingenießer*innen wieder zu kitten“, erinnert sich Sailer.

Doppelt schmackhaft zum Martinstag

Deshalb wurde damals an vielen Stellschrauben gedreht: Es wurde die „Weinmarketing Österreich“ für die Vermarktung sowie die „Weinakademie Österreich“ für die Ausbildung der heimischen Winzer*innen gegründet. Und auch Sepp Sailer gelang es, seinen Beitrag zu leisten, indem er dafür sorgte, Transparenz und Zugänglichkeit zum Wein möglich zu machen. Mit dem Martiniloben. „Rückblickend betrachtet wurden hiermit eigentlich die ersten Grundsteine für das heute national und zusehends auch international so erfolgreiche Neusiedlersee DAC-Projekt gelegt.“ Es ging nämlich schon damals – gleich wie heute – um Herkunft & Typizität, Handarbeit & Qualität.

Martiniloben
Traditionell werden für das Martiniloben die Jungen 2021er präsentiert, verkostet und auch gelobt.
Martiniloben
Zum Brauchtum gehört neben dem Weingenuss aber freilich auch die Gansl-Kulinarik.

Das alles und noch viel mehr bringen die Winzer*innen dieser Region seit dem Jahr 2012 unter der Herkunfts- und Qualitätsbezeichnung Neusiedlersee DAC Jahr für Jahr in die Flasche: archetypische, unverwechselbare Sorten- und Gebietscharakteristik nach klar definierten und transparenten Richtlinien. Und dass man hierbei beim Rotwein die Rebsorte Zweigelt sowie die Süßweine als besonders regionstypisch definiert hat, ist auch für Sepp Sailer mehr als logisch. „Der Zweigelt ist nicht nur österreichweit, sondern auch hier bei uns im Weinbaugebiet Neusiedlersee tonangebend. Und unsere Süßweine zählen schon seit Jahrzehnten mit zu den Besten – weltweit übrigens“, merkt er nicht ohne Stolz an.

„Zwei Jahre nach dem ersten derartigen Fest wurde in Gols erneut ein Martiniloben veranstaltet“, plaudert Sailer aus dem Nähkästchen. Fazit: Besucher*innen und Winzer*innen waren begeistert. „Es war eine Win-Win-Situation“, sagt der Martiniloben-Erfinder. „Die herbstliche Veranstaltung gab Weinfreund*innen die Möglichkeit, Weinbauern und Weinbäuerinnen zu besuchen, mehr über ihre Arbeit zu erfahren und junge Weine zu verkosten. Umgekehrt konnten die Weinbauern und Weinbäuerinnen für sich selbst aktiv Werbung machen und ihre Weine direkt Ab-Hof vermarkten.“

Was Ende der 80er-Jahre klein angefangen hat, lockt heute …
… jährlich 50.000 Besucher*innen an: das Martiniloben.

Martiniloben erobert die ganze Weinregion

Doch auch wenn in Sepp Sailers Vision von Anfang an die ganze Weinregion Neusiedlersee in das Martiniloben integriert werden sollte, dauerte es schließlich zehn Jahre, bis es so weit war. Heute sind jedoch nahezu alle Ortschaften rund um den ganzen Neusiedlersee mit von der großen Weinpartie. Ein eigener Martiniloben-Kalender (siehe unten) gibt einen Überblick, wann denn wo der Wein gelobt wird. Schließlich sind es inzwischen 50.000 Besucher*innen, die in diesen Herbstwochen die Weinkeller rund um den See aufsuchen, um die Weine – allen voran jene mit der Herkunfts- und Qualitätsbezeichnung Neusiedlersee DAC – und andere regionale Spezialitäten zu verkosten.

50.000 Begeisterte, die es genießen, dass die Winzer*innen des Neusiedler Sees mit ihnen ihre Kostbarkeiten teilen. Und somit hat die Sache dann doch wieder etwas mit dem Heiligen Martin und seiner vorgelebten Großzügigkeit zu tun: mit der Idee, dass man das, was man selbst mag, auch mit anderen teilt. Und bei den Neusiedlersee DAC-Weinen sind das nicht zuletzt Qualität & Typizität.

Martiniloben
Nach alter Tradition öffnen Winzer*innen in der ganzen Weinregion Neusiedlersee ihre Kellertüren, um mit Weinliebhabern feinste Tropfen zu verkosten.

Martiniloben am Neusiedlersee 2021: Wo & wann wird gelobt?

Das Martiniloben ist eine der besten Gelegenheiten, um die Vielfalt der Neusiedlersee-Weine zu entdecken und zu verkosten. Welche Kellertüren wann und wo geöffnet haben, erfahren Sie hier.

Alles Wissenswerte über die Neusiedlersee DAC-Spezialitäten

Saftig und fruchttief oder doch fruchtsüß? Welcher Neusiedlersee DAC ist Ihr Liebling? Klicken Sie sich durch die unterschiedlichen Rebsorten.

____

Neusiedlersee DAC.
Einzigartiger Zweigelt. Einzigartige Süßweine.
Von der Sonnenseite Österreichs. Zur Gaumenfreude aller.

____

Image