Während der Begriff „Terroir“ längst in aller Munde ist, gleicht die Kraft des sogenannten „Seeroirs“ bis dato einem gut gehüteten Geheimnis. In der Herkunftsweinregion Neusiedlersee DAC lüftet man nun dessen Besonderheiten.
Mit Unterstützung von Bund, Land und Europäischer Union.
Noch vor wenigen Jahren war der Begriff Terroir und dessen Bedeutung bloß einer Handvoll Weinfreaks geläufig. Heute lässt sich nicht nur unter Weinphilosoph:innen längst trefflich über die wahre Bedeutung dieses Vokabels diskutieren. So viel steht aber fest: Der Begriff Terroir stammt aus Frankreich, bezeichnet eigentlich die Summe aller Einflüsse auf die Reben, wird jedoch zumeist auf den Boden der Weinberge, dessen Lage, das Klima der Region und besonders auch das Mikroklima im Weinberg bezogen. (Mehr dazu findest du in unserem Artikel „Guter Grund für beste herkunftstypische Weine“).
Wasser lässt Trauben anders reifen
Und genau in Sachen Mikroklima kommt nun ein neuer Aspekt zu tragen, den man bis dato im Weinbau zwar erkannt, aber nicht weiter begrifflich definiert hat: Große Wassermassen in der direkten Umgebung von Weingärten wirken auf die Traubenreife anders, als es Landmassen wie Berge, Felse oder Gesteinsschichten vermögen. Das liegt einerseits daran, dass Wasser die Wärme der Sonne anders speichert und wieder abgibt, als es Böden tun. Und es liegt andererseits daran, dass im Wasser stets unterschiedliche und somit für jedes Gewässer individuelle Zusatzstoffe gelöst sind, die durch Verdunstung und Wind in den umliegenden Rebflächen Niederschlag finden. Man braucht also nicht viel Fantasie, um direkte Auswirkungen auf den späteren Geschmack, die Typizität der jeweiligen Weine erahnen zu können.
Und so verwundert es auch wenig, dass überall auf der Welt Weinbauregionen besonders oft in der Nähe von Flüssen oder Seen, von großen Gewässern jedenfalls angesiedelt sind. Das hat natürlich auch einen infrastrukturellen Hintergrund – schwere Fässer sind seit jeher über Wasserwege einfacher zu transportieren als über Land. Allerdings wiegt diese Tatsache in der Gesamtheit weit geringer als die Summe der Vorteile, die sich für Winzer:innen aus der Wassernähe ergeben.
Abgesehen vom Faktum, dass Wasser dank seiner physikalischen Eigenschaften viel Wärme speichern und somit das Mikroklima vor Ort positiv beeinflussen kann, kommen weitere Aspekte hinzu: Solange Flüsse oder Seen wärmer als die umgebende Luft sind, herrscht ein geringeres Frostrisiko. Die höhere Luftfeuchte trägt zudem dazu bei, dass Winzer:innen im Idealfall hochwertige edelsüße Weine – wie etwa im Neusiedlersee DAC-Gebiet – erzeugen können, denn in diesem Klima fühlt sich der Botrytis-Pilz, der sogenannte Edelschimmel, besonders wohl. Nur zur Erinnerung: Die Süßweine, die im Neusiedlersee DAC-Gebiet gekeltert werden, gelten weltweit als außergewöhnlich! (Mehr dazu erfährst du HIER).
Ganz logisch wiederum, aber gleichzeitig von großer Bedeutung ist der Vorteil von immer verfügbarer Feuchtigkeit. In trockeneren Phasen des Jahres dienen Gewässer als essenzielle Wasserreservoirs, die künstliche Bewässerung überhaupt erst möglich machen. Als weiterer positiver Faktor gilt die Fähigkeit von Wasserflächen, Licht zu reflektieren. Eine Weinrebe benötigt – wie jede andere Pflanze auch – Licht, um Photosynthese zu betreiben, um zu gedeihen. Etwa 20.000 Lux sind es, um genau zu sein, die diesen Vorgang ideal unterstützen. Sobald der Himmel über Weinbergen stärker bewölkt ist, liegt dieser Wert jedoch schnell einmal deutlich unter dieser Lichtstärke und die Pflanzen können ihr Potenzial nicht ausschöpfen. Befindet sich nun jedoch eine große Wassermasse in der Nähe, bündelt dessen spiegelglatte Oberfläche das Licht und unterstützt die Reben im Weinberg selbst an grauen Tagen aktiv. Das kann man sich ein wenig wie den Effekt einer Lupe vorstellen, nur weniger feuergefährlich.
Seeroir: Studien mit überraschenden Ergebnissen
Wie relevant eine derartig vielschichte Gemengelage, die bloß aus der Präsenz von Wasser resultiert, für den Weinbau im Burgenland ist, welche Wirkungen das hier somit einmalige Mikroklima auf die Rebenwelt an den Ufern hat, lässt sich inzwischen sogar wissenschaftlich belegen. Erst kürzlich kam zudem eine Studie der BOKU Wien zu dem Schluss, dass der See bereits seit mindestens 25.000 Jahren besteht – und seither die umliegende Landwirtschaft prägt. Auch, weil er einst weit größer war als heute. Und das führt in diesem besonderen Fall sogar dazu, dass seine Sedimente heute noch den jetzt hier wachsenden Weinreben als besonders reiche Nahrungsquelle dienen. Und das eben nicht bloß in unmittelbarer Ufernähe.
So kam rund um den Neusiedlersee Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Melioration eine Boden-Entwässerungsmethode zum Einsatz, die aus moorartigen Gebieten überhaupt erst urbares Land machte. Bis dahin schienen einige der heutigen Weingartenflächen rund um Andau, Tadten, Wallern und Pamhagen – regional auch als Waasen bzw. Hanság (ungarisch) bekannt – nicht „wie geschaffen“ für den Weinbau. Inzwischen sind sie und längst Teil der Großlage Heideboden, deren Terroir somit ein ganz besonderes darstellt – gedeihen die Reben doch tatsächlich auf ehemaligem Seeboden!
„Dieses Zusammenspiel aus den vielen Faktoren, die ausschließlich auf dem nahen See beruhen, nennt man inzwischen – angelehnt an den Begriff Terroir – treffend ,Seeroir‘“, sagt mit Torsten Aumüller einer, der es wissen muss. Schließlich ist er als Geschäftsführer der Herkunftsregion Neusiedlersee DAC täglich mit der Wirkmacht des Neusiedlersees konfrontiert. „Den Winzer:innen der Region ist seit jeher bewusst, dass der See für das Gedeihen dieser einmaligen Weinkultur mitverantwortlich ist.“
Und im Vergleich zu anderen wassernahen Weinregionen wirkt der See hierzulande zudem nicht bloß als Wärmespeicher bis in den Herbst hinein, der ein spürbares Temperaturgefälle zwischen Tag und Nacht sicherstellt. Vielmehr trocknen die den Neusiedlersee umgebenden und einmaligen Salzlaken durch Sonne und anhaltende Wärme aus. Das führt dazu, dass das so kristallisierte und abgelagerte Salz von den regionstypischen Nordwestwinden in den Weingärten verteilt wird – und so den hier wachsenden Weintrauben eine zusätzliche Geschmacksnote verpasst, die weltweit einzigartig ist.
Doch am Ende liegt es beim Wein immer an den Menschen – und in diesem Fall an den Neusiedlersee DAC-Winzer:innen, die diese natürlichen Besonderheiten mit Sorgfalt, Wissen und Leidenschaft zu einzigartigen Herkunftsweinen mit der Kraft des „Seeroirs“ vollenden.
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NEUSIEDLERSEE DAC.
Einzigartiger Zweigelt. Einzigartige Süßweine.
Von der Sonnenseite Österreichs. Zur Gaumenfreude aller.
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